Die Bedeutung der postnatalen Versorgung
Die Geburt eines Kindes ist ein einschneidendes Erlebnis – körperlich, emotional und mental. Während Schwangerschaft und Geburt häufig im Fokus der medizinischen Betreuung stehen, wird die Zeit danach oft vernachlässigt. Doch gerade die postnatale Phase ist entscheidend für die langfristige Gesundheit von Müttern. Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich eine umfassende Studie durchgeführt, die zeigt, dass unabhängig von der Geburtsmethode eine differenzierte und umfassende Nachsorge notwendig ist.
Die Studie im Überblick
Die Studie wurde im Juni und Juli 2024 durchgeführt und umfasste eine Online-Befragung von 566 Frauen. Nach der Datenbereinigung wurden 482 Antworten ausgewertet. Voraussetzung für die Teilnahme war, dass die Geburt mindestens ein Jahr zurückliegt, um auch Langzeitsymptome erfassen zu können. Die Frauen wurden basierend auf der Art der Geburt in sechs Gruppen eingeteilt:
- Vaginale Geburt ohne Verletzungen
- Vaginale Geburt mit Rissverletzungen
- Vaginale Geburt mit Dammschnitt
- Kaiserschnitt nach Geburtskomplikationen
- Notkaiserschnitt
- Geplanter Kaiserschnitt
Das Ziel der Studie war es, physische und psychische Langzeitfolgen zu analysieren und die Defizite in der aktuellen Versorgungslage aufzuzeigen. Die Ergebnisse machen deutlich, dass Frauen unabhängig von der Geburtsart oft unzureichend betreut werden
1. Physische und psychische Langzeitfolgen
Physische Symptome
- Narbenprobleme:
Zwei Drittel der Frauen nach Kaiserschnitt berichteten über Beschwerden wie Taubheit, Spannungsgefühle und optische Beeinträchtigungen. Aber auch 30 % der Frauen mit vaginalen Verletzungen hatten Probleme, vor allem Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. - Beckenbodenprobleme:
72 % der Frauen mit vaginalen Rissverletzungen litten unter Inkontinenz beim Niesen, Husten oder Springen. Frauen nach Kaiserschnitt hatten weniger Beckenbodenprobleme, aber häufig Schwierigkeiten bei der Aktivierung ihrer Bauchmuskulatur, was zu Rückenschmerzen führte.
Psychische Symptome
- Depressionen und Ängste:
Frauen nach Notkaiserschnitten litten besonders häufig unter Depressionen (78 %) und Angst vor weiteren Geburten (67 %). - Selbstbild:
Über 60 % der Frauen gaben an, sich nach der Geburt unwohl in ihrer Haut zu fühlen. - Schlaflosigkeit:
Mehr als 50 % aller Frauen berichteten über Schlafprobleme.
2. Unzureichende Nachsorge
Die Untersuchung zeigt, dass die derzeitige Versorgung weder Frauen nach Kaiserschnitt- noch nach vaginalen Geburten gerecht wird:
- Fehlende Standards: Rückbildungskurse und ärztliche Nachuntersuchungen gehen oft nicht auf spezifische Probleme wie Narbenpflege, Beckenbodenstörungen oder Rektusdiastase ein.
- Vernachlässigte psychische Gesundheit: Themen wie Depressionen und Ängste werden in der Nachsorge selten adressiert, obwohl sie viele Frauen betreffen.
Empfehlungen der Studie
Um die postnatale Versorgung zu verbessern, sind folgende Maßnahmen notwendig:
- Individuelle Nachsorgepläne:
Jede Frau sollte eine personalisierte Nachsorge erhalten, die auf die Geburtsart und mögliche Komplikationen abgestimmt ist. - Ganzheitliche Betreuung:
Psychische, physische und soziale Aspekte müssen gleichwertig behandelt werden. - Erweiterung der Rückbildungskurse:
Standardisierte Inhalte wie Beckenbodentraining, Narbenpflege und mentale Gesundheit sollten integriert werden. - Systematische Nachuntersuchungen:
Regelmäßige Check-ups, die über die aktuellen sechs Wochen hinausgehen, sollten etabliert werden. - Aufklärung und Fortbildung:
Fachpersonal sollte gezielt geschult werden, um Frauen besser zu unterstützen. Gleichzeitig sollten Mütter schon in der Schwangerschaft über mögliche postnatale Herausforderungen aufgeklärt werden.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen deutlich: Es braucht eine grundlegende Reform der postnatalen Versorgung, die die Bedürfnisse von Frauen in den Mittelpunkt stellt – unabhängig von der Geburtsmethode. Nur durch eine differenzierte und umfassende Nachsorge können die langfristige Gesundheit und das Wohlbefinden von Müttern nachhaltig verbessert werden.
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Datenverwendung
Die Ergebnisse dieser Studie bieten wertvolle Einblicke in die Defizite der postnatalen Versorgung und die Bedürfnisse von Müttern. Sie dürfen gerne darüber berichten oder Informationen teilen – jedoch ausschließlich mit Quellenangabe und unter Nennung der Originalstudie. Für eine korrekte Zitierung verwenden Sie bitte die folgende Angabe:
Randazzo, Dorothea K. (2024): Bedarfsermittlung einer ganzheitlichen, spezialisierten Rehabilitation nach Kaiserschnittgeburten, Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement.